Feature: Wiederaufbau Ukraine

…ab nach Kyiw! Eine Fahrt mit vielen Unbekannten.

Juli 2022: Hilfsgüter für UA.
Juli 2022: Ich bringe Hilfsgüter in die Hauptstadt der Kyiwer Rus.
Das Bild wurde von meinem Companion Jonas geschossen auf einer Schnellstraße in der Oblast Schytomyr.

Als am 24. Februar des Jahres 2022 mit der Vollinvasion der Angriffs- und Vernichtungskrieg Moskowiens gegen die Ukraine und seine Bevölkerung entfesselt wurde, wusste ich, dass jeder, der kann, seinen Beitrag dazu leisten muss, der Irratio eines einzigen Mannes etwas entgegen zu setzen, der diesen Wahnsinn in bester Tradition mit seiner Clique vom Zaun gebrochen hat; der Millionen von Menschen vertrieben, abermillionenfach bewusst Hunger geschürt, tausende ukrainische Kinder bewusst deportiert und ihrer Identität entrissen, Millionen von Menschen verarmt, abertausende Menschen ihres Lebens beraubt, so viel unermessliches Leid über diese Menschheit gebracht und die Friedensordnung im gemeinsamen Haus Europa nachhaltig auf Generationen hin zerstört hat.
Da ich alle „großen“ Fahrerlaubnisse für sämtliche großen Nutzfahrzeuge wie LKW und Busse mein eigen nennen darf, konnte ich meinen Beitrag dazu leisten, für Sankt Augustin and friends hilft e.V. medizinische Hilfsgüter zum Wiederaufbau von Krankenhäusern und Lazaretten mit einem Sattelzug dort hin zu bringen, wo sie damals am meisten gebraucht wurden; nämlich dorthin, wo die Moskowiter – oder besser gesagt – ihre als Kanonenfutter vorgeschickten unterjochten Völker Zentralasiens das moskowitische Terrorregime über seine Grenzen hinaus exportieren und dabei in der unheiligen Dreifaltigkeit von Kraftwerken, Krankenhäusern und Kindergärten jene als militärische Hochwertziele dem Erdboden gleich gemacht haben.
Was viele Kleingeister für westliche Propaganda halten, habe ich während meines Aufenthaltes im Kriegsgebiet gesehen: so viele Gräber unnötig getöteter Soldaten und Wegekreuze von auf der Flucht ermordeter Zivilisten. Ich kann nur wiederholen: Ich habe die Auswirkungen des totalitären, neofaschistischen Russki Mir mit eigenen Augen gesehen. Man erzähle mir also nichts. Wer sich also immer noch auf der Seite derjenigen sieht, die den Faschismus in der Ukraine meinen bekämpfen zu müssen, dem rate ich, sich mit russischsprachigen Ukrainern aus dem Donbass oder aus Odessa auszutauschen, die immer noch fragen, warum durch Moskau ihre Landstriche in Schutt und Asche gelegt werden, wenn sie doch »befreit« werden sollen.

Die Lehre aus den 1930er-Jahren, in denen man in einer gescheiterten Appeasement-Politik mit der Tschechoslowakei dereinst einen demokratischen Verfassungsstaat auf dem Altar einer Diktatur zu ihrer Besänftigung vergeblich geopfert hatte, muss daher lauten: Aggression darf nicht belohnt werden. Ansonsten macht sie Schule. Allein darum darf Moskau mit seinem Plan des ethnokulturellen Genozids an den Kyiwer Rus, der mit der Beseitigung des ukrainischen Nationalstaats einhergeht, nicht durchkommen. Sonst kommt womöglich noch Festlandchina auf den Plan in Bezug zum Inselchina, ähnliches zu versuchen, wie Moskowien in der Ukraine. Dabei muss aber betont werden, dass Taiwan nie zur Volksrepublik gehört hat, sondern beide Teil des Völkerrechtssubjekts »China« als Ganzes sind, womit das Argument und die Vorstellung der Volksrepublik zu einer »Wiedervereinigung« völkerrechtlich unzutreffend ist, man trotzdem aus Beijing entsprechende Töne hört, die versuchen, ihr Narrativ in der Weltöffentlichkeit zu platzieren. Man sieht: die Ukraine geht uns alle an. Ob wir das wollen oder nicht. Darum darf die Ukraine – so sehr sie auch an eigenen Widersprüchen krankt – nicht dem Untergang preisgegeben werden. Wir würden unseren Kindern nichts weiter als einen völkerrechtlichen Scherbenhaufen hinterlassen. Und das wäre verantwortungslos.
Auch ich hätte nicht geglaubt, dass ich mal sagen würde, dass Frieden im Sinne von Abwendung von Krieg nur mit Waffen geschaffen werden kann und nicht ohne. Leider ist die Menschheit in ihrer Gottesferne zur jesuanischen Weisheit nicht in der Lage zu erkennen, dass sie eigentlich zu einem ganz anderen Ziel bestimmt ist, als sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Und so bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich gegen einzelne, offensichtlich gotteslästerliche Tyrannen mit eben diesen stumpfen Waffen dieser Welt zur Wehr zu setzten, was trotzdem heißt, dass derjenige, welcher das Schwert erhebt, durch es auch umkommen wird.

Ich habe über diese unheimlich emotionale Reise ins Kriegsgebiet ein Buch mit über 250 Seiten geschrieben mit dem Titel: „Zur Übung nach Kiew. Schicksalsfahrt ins Ungewisse.“. Darin habe ich all die Erlebnisse niedergeschrieben und ihre Hintergründe in einer Mischung aus Roadmovie, Zeitzeugenbericht und einordnender Historienerzählung beleuchtet. Soviel kann ich verraten: Mein Mitfahrer Jonas und ich wären auf unserer Mission fasst abgefackelt! Aktuell ist es noch in der Lektion. Wenn es erscheint, werde ich berichten, wo man es erhält.
Mindestens 50% der Einkünfte dieses Werkes widme ich dem Wiederaufbau dieses wunderbaren Landes mit seinen äußerst gastfreundlichen Menschen, das nach dem Sieg zu besuchen ich nur wärmstens empfehlen kann – und sich von den Menschen dort ihre Sichtweise der Dinge, die sie umtreiben, erzählen zu lassen. Das habe ich auf der Reise, die uns durch Polen führte, festgestellt: die Slawen erzählen gerne, viel und das in hohem Tempo. Und dabei wird man regelmäßig üppig gut beköstigt.
In der Zwischenzeit bis zum Sieg, der ausgemachte Sache ist, können Sie auch noch konkrete Sachspenden zukommenlassen beim besagten Verein Sankt Augustin and friends hilft e.V. Wenn genügend zusammengekommen sind, geht wieder ein eigens dafür angeschaffter Vierzigtonner auf die Reise nach Osten.
Nach dem Krieg gibt es viel Schutt wegzuräumen und viel mehr wieder auf zu bauen. Es wartet also noch viel Arbeit auf uns, die Hoffnung bringen wollen. Gemeinsam werden wir es packen!

– Slava Ukraini! –

Osteuropa, insbesondere die Slawenländer, waren auch bei mir ein blinder Fleck im soziopolitischen Bewusstsein und auch ich habe leider den schrecklichen Anlass des moskowitischen Angriffskrieges gebraucht, um mich mit der Geschichte unserer östlichen Nachbarn jenseits von Oder und Neiße, wie auch mit ihren Sorgen, Nöten und Animositäten untereinander und ihrer Nachbarn gegenüber eingehender zu beschäftigen.

Ich danke dem Herrn, meinem Gott, dass ich die Gelegenheit dazu hatte, das »Grenzland«, wie die Ukraine zu deutsch heißt, zu bereisen und in dem Buch seine Geschichte ein wenig näher zu bringen. Es hat mir in seinem Lehrreichtum viel Freude gemacht. Hoffen wir auf den Besten!

Sonnenuntergang im Kriegsgebiet.
If you think, something is right…never look back! – Mein Motto auf der Mission.

Mavka – Hüterin des Waldes

Mavka.
Juni 2023: Die ur-ukrainische Sagenfigur kommt in die deutschen Kinos. Ein Film für die gesamte Familie.

Die vorchristliche slawische Mythologie ist ähnlich reich an Sagen und Figuren, wie die germanische. Und so ist eine Mavka eigentlich die urslawische Interpretation einer geisterhaften Wald-Sirene, die junge Männer anzieht und verführt, um sie im Anschluss um ihr Leben zu erleichtern. Der nun veröffentlichte ukrainische Trickfilm geht hier jedoch ganz eigene Wege und interpretiert Das Waldlied der ukrainischen Nationaldichterin Lessja Ukrajinka auf höchst eigenwillige Art und Weise – eben typisch ukrainisch-anarchisch ohne vorab festgesetzte Grenzen und Konventionen: Ein einziger Mensch hat damals Verrat geübt am Bund zwischen den Menschen und ihrer natürlichen Mitwelt, die die Menschen einst versorgte. Das führte zum „ersten Waldkrieg“, den der Wald mit all seinen Geschöpfen dahingehend gewann, dass die Menschen aus den Wäldern vertrieben wurden und es ihnen seitdem nicht mehr gestattet ist, ihn zu betreten. Die freundliche Mavka ist nun vom Rat der höchsten Geister zur „Waldhüterin“ erwählt worden, deren Aufgabe es ist, den Wald zu beschützen. Als nun die Umstände, die zum ersten Waldkrieg geführt haben, sich zu wiederholen scheinen, nimmt die Geschichte in der Begegnung Mavkas mit dem Menschensohn Lukas eine entscheidende Wendung. Wenn auch der „zweite Waldkrieg“ nicht am Ausbruch gehindert werden kann, schaffen es die beiden Welten nach harten Kämpfen schlussendlich zueinander, nachdem sie gemeinsam das Böse, das von einem Menschen in die Welt gekommen war, der die Macht an sich zu reißen versuchte, besiegen. So gelingt es den beiden Welten nicht nur neben, sondern gar wieder miteinander in Harmonie zu leben – wie am Anfang vor dem Sündenfall des einen, der das Unheil entfesselte.

Die filmischen Motive sind nicht neu, ist doch mit FernGully – Christa und Zaks Abenteuer im Regenwald bereits 1992 ein in Ansätzen vergleichbarer Stoff über die Leinwand westlicher Kinos geflimmert. Doch genauso, wie man auch einem Autobauer bei jedem neuen Modell nicht vorwift, das Rad nicht neu erfunden zu haben, sollte man hier viel eher als Originalität anmerken, dass der Film vielmehr die ukrainische Seele widerspiegelt: Dort, wo böse Mächte ihre Machenschaften ziehen und den Frieden in einer einfachen, aber durchaus intakten Hinterwaldwelt, die mit sich selbst im reinen war, empfindlich stören, gibt es trotz Grausamkeiten, die einem das Leben schwer machen, immer Raum für Schönes und Gutes, das Grenzen zu überwinden in der Lage ist, wenn man nur will.
Und so ist der Film unabhängig vom Inhalt schon ein denkwürdiges Phänomen: wo Moskowien der Welt nichts anderes feilzubieten hat, als imperialistische Vernichtung, Todesschwadrone und Diktatorenspielzeuge, stellen die ukrainischen Macher nach fünfjähriger Arbeit unter enormsten Anstrengungen unter Kriegsbedingungen in liebevoller Detailarbeit ihren Nationalepos fertig und präsentieren ihn – als Kinderfilm für die gesamte Familie. Größer könnte der Kontrast nicht sein: wo die Moskowiter Tod und Zerstörung exportieren, exportieren die Ukrainer, ob allem ihnen zugefügtem Leid, eine aussichtsreiche Hoffnung in Form eines Kunstwerks für Kinder. Doch diese Hoffnung, die über jene Grausamkeiten, die dem Walde mit all seinen Wesen angetan wird, obsiegen soll, so eine der Botschaften des Films, lässt sich nicht realisieren, ohne, dass es auch Aufopferung gibt: eine Passion. Und so wird die Sirenen-Mavka der slawischen Mythologie schlussendlich zur Heilsbringerin umgedeutet, indem sie in absolutem Altruismus als Fanal sich selbst für ihren Wald hingibt, den sie zu beschützen hat – und für ihren lieblichen Flötenspieler Lukas, in den sie sich verguckt.
Zwar geht Mavka – Hüterin des Waldes als Lichtspiel im erzählerischen Tiefgang nicht über das, was ein achtjähriger verstehen kann, hinaus. Doch darin liegt ja gerade der Reiz in unserer verkopften, kinderfeindlichen Erwachsenengesellschaft: zu versuchen, die Welt mit Kinderaugen zu sehen. Für sie ist der Film da, der das Grundmotiv der Hoffnung durch Passion zu transportieren versucht. Und ich muss als Erwachsener sagen: mit Erfolg. Dargestellt wird diese Depiktion einer Passionsgeschichte ukrainischer Prägung in einer malerischen Karpatenlandschaft mit passend dazu in kosakisch anmutenden Trachten bekleideten und blumenbekränzten Fabelfiguren. Vertont wird das Ganze durch wunderbare Gesangseinlagen im Original u. a. von der inoffiziellen »Lemken-Prinzessin« Chrystyna Solowij als Mavka und ihrem Gegenpart Artem Pywowarow als Lukas und im Deutschen von Kirstin Hesse und Louis Friedemann Thiele.
Es sei noch angemerkt, dass die beiden trotteligen Hilfsbösewichter, die in der deutschen Fassung mit Hans und Franz tituliert werden und nur im Paar auftreten, gewisse physiognomische, nicht zu übersehene Ähnlichkeiten mit den beiden Klitschko-Büdern aufweisen. Ob das bloßer Zufall ist? Der Film ist auf jeden Fall ein Ansehen wert. Erst recht, da er die traditionelle Kultur und Lebenswelt der Rus authentisch kindgerecht vermittelt. Darum gibt's von mir vier von fünf Sternen, versehen mit dem Prädikat »besonders wertvoll«.

Mavka-Fibel.
Mavka-Fibel. Pagane Motive der ostslawischen Welt der Kyiwer Rus spielen in der Ästhetik dieses Werks eine entscheidende Rolle.

PS:

Es soll bei dieser Filmkritik nicht unterschlagen werden, dass manch einer der am Projekt beteiligten Künstler die Premiere nicht mitfeiern konnte: sie riskieren als Kämpfer für die Freiheit und den Fortbestand ihrer Landsleute im imperialistischen Angriffskrieg Moskowiens gegen ihr Land ihr Leben.



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