Civitas

»Freude am Fahren…«: das rollende Zuhause und der Führerschein

Mit der Lizenz zum Fahren:

Das Fahren ist als Form des Reisens nach wie vor noch eine Leidenschaft von mir. Doch kann ich mit Potenz-Bulliden, lärmenden Motorrädern, mitweltverpestenden Schluckspechten und Renterschreck-Sportwagen und -Fahrstilen nichts anfangen. Mich zieht es eher in die Kategorie Praktisch, sanftmütig, familienfreundlich, groß und nicht selten schwer. Und so kommt es, dass ich mittlerweile alle „großen“ Fahrerlaubnisse für sämtliche großen Nutzfahrzeuge wie LKW und Busse mein eigen nennen und alles jederzeit fahren darf, was mindestens drei Räder hat: egal, wie groß, wie schwer, wieviele Personen oder Zweck, mit Anhänger oder ohne. Und so fahre ich ab und zu auch gern mit dem Wohnmobil durch die Gegend und ziehe durch die Lande, um dort Land und vor allem Leute besser kennen zu lernen.
Da ich, wie alle nach 1980 Geborenen, die keine alte Klasse 3 mehr als Autoführerschein machen konnten, die Bürde der späten Geburt habe, sind wir Jungen seit der Umstellung auf die europaweit einheitlichen Fahrerlaubnisklassen 1999 mit der Klasse B auf Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse (zGM) von 3,5t bei acht Mitreisenden beschränkt. Zugegeben: das ist im Vergleich zur alten Begrenzung der Klasse 3 mit ihren 7,5t nicht viel und man stößt schnell an seine Grenzen, etwa, wenn man umziehen muss. Und doch sage ich als jemand, der riesen Ungetüme selber fährt, Sprinter mit 3,5t sind für die Meisten, die ihre Prüfung auf einem Fahrschulgolf abgelegt haben, immer noch zu viel. Gleichwohl habe auch ich meine Übungsfahrten als Vorbereitung für die praktische Fahrausbildungen für LKW und den Bus vorab auf dem größten gemacht, was man rechtlich mit Klasse B gerade noch fahren darf: ein 7,5m-Wohnmobil mit 3,5t zGM bei einer Breite inkl. Spiegeln von 2,76m und einer Höhe von 3,20m. Das ist für jemanden, der sonst nur Kompaktwagen fährt, schon eine Hausnummer. Selbst für einen gestandenen Busfahrer ist auch das nicht mehr klein, wenn auch aus seiner Sicht doch noch »recht kompakt«.
Wenn also irgendwann der Sohnemann auch mal Papas Wohnmobil fahren will, das der natürlich ohne Rücksicht auf die zGM angeschafft hat, weil er ja den „normalen“ Führerschein hat, „wie jeder andere auch“, so kommt es spätestens dann dazu, dass man festellen muss: die Zeiten des unbeschwerten Einsteigens und Fahrens sind seit der Reform der Fahrerlaubnisklassen 1999 ein für alle mal vorbei: »geht nicht, darf nicht, ist nicht«. Zu schwer ist das Vehikel für die „Jugend von heute“. Dass man früher für 1000 DM Fahrerlaubnisse im heutigen Gegenwert von knapp 8000 € und einigen Monaten in der Kraftfahrtschule für Berufskraftfahrer hinterhergeschmissen bekommen hat, sind viele der älteren Semester sich nicht bewusst; nämlich, dass sie einen goldwerten Schatz mit ihrem „alten Lappen“ im Portemonaie haben. Viele der Älteren können daher das fahrerlaubistechnische Problem der Jüngeren noch gar nicht so richtig fassen, weil sie ihren Lappen in den 60ern und 70ern gemacht haben, wie „Millionen Andere auch“. Blöd nur, dass jene Generation ihrer Nachfolgenden den Genuss derselben Rechte versagt hat.
Sei's drum; alles Jammern hilft da nichts: wer ein aufgelastetes Wohnmobil mit einer Fahrerlaubnis von nach 1999 fahren will, muss viel Geld in die Hand nehmen, das er übrig haben muss, genauso, wie viel Zeit, um an der »Freude am Fahren« in derselben Art teilhaben zu können, wie die Parentalgeneration sie nach heutigen Maßstäben quasi geschenkt bekommen hat. Aber welche Fahrerlaubnis braucht man überhaupt? Das soll im Folgenden geklärt werden. Alles jedoch ohne Gewähr:

Auf die Länge kommt es an…

»Früher war alles besser!«, lautet gerne der Ausruf der einfachen Seele. Dass das in der Pauschalität auch Früher schon nicht gestimmt hat, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Und doch kann man sagen: „früher war vieles einfacher“. Früher durfte man mit dem klassischen Autoführerschein der Klasse 3 einfach mal pauschal mindestens alles fahren, was 7,5t schwer sein darf und höchstens acht Sitzplätze zzgl. dem Fahrersitz hat. Das war's. Mehr Regeln in Bezug auf das Grundauto gab's nicht. Das schließt auch überschwere PKW wie einen Hummer ein, große Reisemobile, alle LKW und Zugmaschinen bis zu einer zGM von 7,5t. Sogar kleine Busse darf man mit Klasse 3 leer fahren, sofern die nicht mehr als 7,5t auf die Waage bringen dürfen. Und heute? Nun: der gute Jurist sagt nicht umsonst: »es kommt darauf an…«. So auch hier in Sachen Wohnmobil. Denn das moderne Führerscheinrecht ist ein undurchdringlicher Dickicht von Richtlinien, Verordnungen, Ausnahmeverordnungen, Bestandsregelungen und eingebauten Inkonsistenzen, für die man Jura mindestens mal anstudiert haben muss, um da auch nur im Ansatz durchblicken zu können. Darum ist es nicht verwunderlich, wenn da so viel Halbwissen im Netz und auf der Straße verbreitet ist, wo selbst sonst ausgewiesene Experten wie der ADAC oder gar entsprechende Klassen ausbildende Fahrschulen da häufig falsch in ihren Aussagen liegen. Ebenso auch nicht selten, wie auch in meinem Fall auf probeweise Nachfrage, die ausstellenden Fahrerlaubnisbehörden überfragt sind oder veraltete Rechtslagen dem Bürger darlegen, von der Polizei, die das kontrollieren soll, ganz zu schweigen. Kurzum wundert es mich nicht, wenn daher nach der Verschlimmbesserung der dritten europäischen Fahrerlaubnisrichtlinie 2013 und den daraus folgenden nationalen Umsetzungen in die letztendlich maßgebliche Fahrerlaubnisverordnung (FEV) 2016 keiner mehr durchblickt, viele unwissentlich ohne Fahrerlaubnis für die von ihnen gelenkten Fahrzeuge unterwegs sind und, weil die eigenen Behörden einen auch zu dem Rechtsbruch selbst unwissentlich angestiftet haben, ohne eigene Schuld ein »fahren ohne« begehen, ohne es zu wissen.

Das ist Recht: für alle neuen Fahrerlaubnisse ab spätestens Dezember 2016 fallen nach §6 FEV WoMos zwischen 3,5t und 7,5t regelmäßig klar unter D1 und NICHT mehr unter C1, anders, als für Inhaber alter Fahrerlaubnisse, die bis 2013, respektive 2016 ausgestellt wurden, die nach dem Übergangsrecht aus §76 FEV wegen Bestandsregelungen noch mit C1 sämtlichste WoMos bis 7,5t fahren dürfen.
§6 Abs. 4a Nr. 13 FEV erlaubt zwar explizit auch das Fahren von WoMos mit C1, weil sie nicht von den Grundregeln des §6 für C1 oder C umfasst sind. Doch diese Regelung kann so nur in Deutschland gelten. Wer also ins europäische Ausland fährt, hat bei einer Kontrolle womöglich ein Problem mit den lokalen Behörden. Denn dieser nationale Zusatz existiert in der dazugehörigen europäischen Fahrerlaubnisrichtlinie 2006/126/EG zum Stand vom 22.11.2020 nicht. Wenn also die Zielstaaten, in denen man sich bewegt, keine vergleichbare nationale Regelung haben, macht man sich dort unter Umständen strafbar. Das Problem ist folgende Regelung, die es vor 2013 in Europa, bzw. 2016 in Deutschland so nicht gab: ob man ein Fahrzeug mit einer Fahrerlaubnis für die C-Klassen fahren darf, hängt seit dem davon ab, ob man das Fahrzeug auch mit D1 oder D fahren dürfte (vgl. »ausgenommen KfZ der Klassen … D1 und D« in §6 FEV). Wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass man mit einem D1- oder D-Führerschein das Fahrzeug fahren dürfte, greifen die C-Klassen nicht mehr und man braucht irrwitzigerweise als Führerscheinneuling heute regelmäßig einen Busführerschein für das Fahrzeug – jedenfalls dann, wenn man plant, ins Ausland zu fahren.
So ist unser WoMo, wie die meisten, knapp 7,5m lang, ist als ein de facto schwerer PKW nach der EG-Fahrzeugklasse als M2 zur Personenbeförderung von 8 Personen und damit entsprechend der Regelung der FEV für D1 also für nicht mehr als 16 Personen ausgelegt und gebaut und ist kürzer als 8m. Damit darf man das Fahrzeug zweifelsohne mit D1 fahren. Und da die D1-Fahrerlaubnis keine Sitzplatzbegrenzung nach unten kennt, fällt quasi alles, was nicht LKW oder Zugmaschine in der 8m-Längenbegrenzung ist, darunter. Und dann fällt C1 leider weg, da die Ausnahme der C-Klassen greift, die Fahrzeuge der D-Klassen explizit mit C1 oder C zu fahren ausschließt (ist dumm, ist aber leider so).
WoMos sind regelmäßig im Schein als »Fahrzeuge zur Personenbeförderung bis 8 Sitzplätze« zugelassen mit der Zweckbestimmung »Wohnmobil«. Da es seit der Novelle der StVZO von 2005 den klassischen PKW im eigentlichen Sinne nicht mehr gibt, sondern nur noch die EG-Fahrzeugklassen, ist ein PKW, wie ein WoMo bis 3,5t, heute ein Fahrzeug der Klasse M1 »Fahrzeug zur Personenbeförderung bei 8 Spl.«, ein WoMo zwischen 3,5t und 5,5t ist als M2 ein »Fahrzeug zur Personenbeförderung bis 5,5t» und ein 7,5t-Wohnmobil ist wie ein 29t-Reisebus, wie auch ein Luxus-WoMo auf Mercedes Actros, beispielsweise auch nichts anderes als ein M3: »Fahrzeug zur Personenbeförderung über 5,5t«. Warum ist das entscheidend? Weil die EG-Fahrzeugklassen bestimmen, ob das Fahrzeug eben, wie §6 FEV zu prüfen fordert, zur »Personenbeförderung ausgelegt und gebaut ist«, was bei den D-Klassen zu prüfen ist, um zu wissen, ob man das Fahrzeug mit seiner C1- oder C-Fahrerlaubnis fahren darf oder was anderes dafür braucht (eben D1 oder gar D).
Es wird sogar noch kurioser: Weil die Regeln, konsequent angewendet, so irrwitzig sind, kommt man auf eine Führerschein-Aufstellung für WoMos oder andere »PKW« nach der Reform der Führerscheinrichtline von 2013 und der FEV von 2016, die sich an zwei Grundfragen orientiert und die unten stehende Tabelle ergibt:

  1. hat das WoMo eine zGM größer als 3,5t oder nicht?
  2. wenn das WoMo eine zGM größer als 3,5t hat: ist es länger als 8m oder kürzer?
Denn bis 3,5t zGM ist immer Klasse B ausreichend. Darüber wird es pannend. Kurzgesagt braucht man für ein WoMo mit zGM über 3,5t bis 8m Länge regelmäßig eine Fahrerlaubnis der Klasse D1. Wenn es länger wird, muss man wieder auf die zGM schauen: liegt sie bis einschließlich 7,5t, so braucht man Klasse C1; liegt die zGM über 7,5t, so braucht man die Klasse C, um das Fahrzeug bewegen zu dürfen. Darum ergibt sich folgende Tabelle:

*)
ohne Gewähr.
Fahrzeug (zGM) benötigte Fahrerlaubnis (nach EU-Recht)*
1.: WoMo bis 3,5t Klasse B.
2.: WoMo 3,5t-7,5t bis 8m Klasse D1, da Ausnahme von C1/C.
3.: WoMo 3,5t-7,5t über 8m Klasse C1, da für D1 zu lang und, weil nur ein 8-Sitzer, von Klasse D noch nicht umfasst, da zu wenige Sitzplätze für D.
4.: WoMo über 7,5t bis 8m wie 2. immer noch Klasse D1, da Gewicht bei D1 keine Rolle spielt.
5.: WoMo über 7,5t über 8m analog zu 3. Klasse C, da für D1 zu lang und, weil nur ein 8-Sitzer, von Klasse D noch nicht umfasst, da zu wenige Sitzplätze für D.

Ergo darf man mit einem neuen C1-Führerschein, der nach 2013/16 erworben wurde, irrwitzigerweise nur dann ein Fahrzeug, das zur Personenbeförderung ausgelegt und gebaut ist, fahren, wenn es maximal 8 Sitzplätze plus Fahrersitz hat, wenn es dabei über 8 Meter lang ist und nicht mehr als 7,5t zGM hat, weil so ein Fahrzeug mit D1 nicht mehr gefahren werden darf (zu lang), aber von D noch nicht umfasst ist, weil D erst bei Fahrzeugen greift, die mehr als 8 Sitzplätze plus Fahrer haben. Selbst mit einem ausgewachsenen Busführerschein der Klasse D dürfte man so ein Ungetüm länger 8m nicht fahren, sondern man braucht, je nach Gewicht kleiner 7,5t, bzw. größer 7,5t eine Fahrerlaubnis der Klasse C1 oder C.
Diesen Grenzbereich der schweren PKW, die über 3,5t zGM hinaus gehen, aber definitionsgemäß nicht mehr als 8 Plätze plus Fahrersitz haben und die es frührer mit der alten nationalen FE-Klasse 3 gab, gibt es heute so nicht mehr und nicht alles, was mit der umgeschriebenen Klasse 3 als C1 gefahren werden darf, ist für die heutige Jugend mehr C1. Irrwitzig, aber leider Ralität. So ist man also gezwungen C1- und D1-Fahrerlaubnisse zu erwerben, um alle Randbereiche innerhalb der 7,5t-Klasse abgegolten zu haben. Ein Schelm, wer dabei etwas böses denkt…
So ist es dann auch, dass man selbst einen umgebauten Stadt-Omnibus, den man selber zum Straßenverkehrsamt gefahren hat, um ihn nach Umbau als WoMo anzumelden, nach der Ummeldung nicht mehr mit dem Busführerschein wegfahren darf, mit dem man ihn hingefahren hat, sondern einen LKW-Führerschein der Klasse C dafür braucht. Ich weiß. Klingt abgefahren. Ist aber leider die Rechtslage.

»Unwissenheit schützt vor Strafe nicht!«

Was lehrt uns das? Man muss schauen, wo man bleibt. Ohne gültige Fahrerlaubnis zu fahren ist strafbar und kann im Unfall den Versicherungsschutz kosten. Wer außerdem ohne Fahrausbildung für die entsprechende Fahrzeugklasse sich hinters Steuer setzt, ist eine Allgemeingefahr für sich und andere und über alle Maß rücksichts- und verantwortungslos!
Neben der Einwirkung auf den lokalen Europaabgeordneten zur Änderung der verqueren Regelungen hilft es nichts, sich vor den Mühen zu drücken. Man muss nochmal in die Fahrschule. Mindestens für das Fahrzeug, was man sich ausgeguckt. Ansonsten währt die Freude am Fahren nur kurz. Und das muss nicht sein. Happy drive!



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